Auch wer nie viel mit Booten und der Seefahrt zu tun hatte und auch kein besonderes Interesse daran hat, kennt doch mindestens ein Wasserfahrzeug bzw. Würde es fast immer erkennen, wenn er es sieht: Die venezianische Gondel - Symbol von Bewegung auf dem Wasser und unserer heutigen Freizeitgesellschaft. Zwar besteht eine Gondel aus einhundertachtzig verschiedenen Holz- und Metallteilen und man benötigt für ihren Bau auch nicht weniger als fast 14 m³ Holz - wie: Eiche, Ulme, Kirsche, Mahagoni, Nussbaum, Lärche und Tanne, und dennoch ist sie im Grunde ein einfaches Boot. einfach im Sinne der Konstruktion, denn sie ist ein Sharpie. Würde man eine Gondel in der Mitte wie eine Salami durchschneiden, erkennt man einen geraden Boden, eine eckige Kimmung und gebogene Bordwände, die ca. 65° nach außen gestellt sind.
Typische Merkmale des Bootes also, mit dem wir uns hier beschäftigen, und dass näher zu betrachten sich unserer Meinung nach lohnt.
Sharpies, wie sie heute in Freundeskreisen geschätzt werden, entstanden in den USA. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war für den Kleinverkehr und zum Transport der begehrten Austern vor New Haven die Piroge, ein Einbaum, das bevorzugte Fahrzeug. Als immer mehr Sägewerke gebaut wurden, wechselten vor allem die Austernzüchter von der nun zu teuren Piroge zum geplankten Boot. Sie brauchten preiswerte Boote mit geringem Tiefgang, die einfach zu bauen waren und gut im Wasser lagen.
1848 baute ein gewisser Mister Goodsell die Telegraph, das erste Sharpie. Eine einfache Konstruktion mit scharfer Kimm und plattem Boden. Die Rumpffestigkeit wurde durch eine quer verlaufende Bodenplankung gewährleistet. Vorbilder dafür waren wohl die Darys, Angelfischereiboote für die Neufundlandbänke. Darys kommen möglicherweise ursprünglich aus Portugal. Man weiß, dass die Portugiesen sehr früh auf den Bänken fischten und verschiedene quergeplankte Boote besaßen.
1863 entdeckten die Franzosen die Sharpies und nutzten sie bald zum Freizeitsegeln. Thomas Clapham, ein nach den USA ausgewanderter Brite, brachte den Amerikanern das Sport-Sharpie dann wieder näher. Und so verbreitete es sich entlang der US-Ostküste auch in dieser Funktion.
Die Leistungsfähigkeit des Sharpies sorgte bald für Aufmerksamkeit. Ein Boot von 12,20 m (40 Fuß) Länge konnte mehrere Stunden eine Geschwindigkeit von 14 Knoten halten. Diese Boote wurden für die verschiedensten Zwecke in den unterschiedlichsten Größen gebaut. Es gab und gibt sie als 4m Ruder-Segel-Boot bis zum 20m Schoner, vom kleinen Austern-Transporter bis zum Jollenkreuzer ähnlichem Kajütboot.
Das Sharpie ist in den USA eine feste Größe im Segelsportgeschehen - und bei uns? Auch hier gibt es einige, dem Sharpie sehr ähnliche, Sportboote, z.B. das verbreitetste Boot der Welt - die Jüngsten-Jolle "Optimist", ein amerikanischer Entwurf. Das Startboot, der Pirat, der Zugvogel, div. knickspantig gebaute Jollenkreuzer und Sportsharpies der 20-er, 30-er und 40-er Jahre, von denen so manches Boot noch heute im Einsatz ist.
Grundsätzlich ist diese Bootsform uralt. Schon im Mittelalter als Kahn und Prahm bezeichnet, hat es allerhand einfach gebaute Boote und Schiffe wohl gegeben. Vor allem für die küstennahe Verwendung, für die Flachwassergebiete und in der Binnenschifffahrt finden wir diese Formen.
Der schwedische Ruderkahn des 18. Jahrhunderts gehört dazu wie die Plattbodenschiffe der Niederlande, der Kaffenkahn von Oder, Havel und Spree ebenso wie die Geschützprahme der Dänischen Marine, welche 1801 bei der Schlacht von Kopenhagen zum Einsatz kamen. Heute begegnen uns Schubverbände, die alle auf diesem einfachen Riss beruhen, die Schuten der Binnenschifffahrt und der Hafenbehörden der Seestädte.
Wenn Sie unsere Seite verlassen, könnten Sie mal auf Kleinanzeigenseiten gehen, wo z.B. Kanadier angeboten werden. Sie werden schnell feststellen, dass die "Hölzernen" Angebote Ihre Aufmerksamkeit bekommen, während das sterile Plastik eher ermüdet.
Diesen Effekt kann man auch in jedem x-beliebigen Yachthaften dieser Welt erleben, wenn die eine oder andere Perle aus dem üblichen weißen Einerlei heraussticht. Das charaktervolle traditionelle Holzboot wird uns immer ansprechen und auch Menschen ohne Wassersport-Ambitionen entwickeln eine fast selbstverständliche Zuneigung. Ein Trend, der auch bei Möbel, alten Autos und anderen Antiquitäten zu beobachten ist. Selbst der einfachste Bauernschrank berührt uns, weil er eine besondere Ästhetik hat und das Handwerk das ihn schuf sicht- und fühlbar ist.
Diesen besonderen Aspekt findet man auch bei traditionellen Booten, denn auch hier haben Jahrhunderte den Zweck Form werden lassen und menschliche Kreativität Sinn und Schönheit hervorgebracht.
Ein "altes" Boot zu segeln, zu paddeln oder zu rudern bringt immer ein besonderes Fortbewegungsgefühl mit sich. Auch, da man weiß, dass vielleicht schon vor 150 Jahren so gefahren wurde.
Wir bauen unsere Boote immer aus Holz, wahlweise traditionell, kraweelgeplankt, auf gesäten Spanten, oder in "modernem" Holzbau. Dieser besteht aus Sperrholz, ist pflegeleicht und immer dicht. Da unsere Boote Sharpies sind, lässt sich jeder Typ in traditionell oder modern bauen. die Form wird dadurch nicht beeinflusst. Der Grund, warum man sich für das eine oder andere entscheidet, hat viel mit optischen und grundsätzlichen Überlegungen zu tun. Das traditionell gebaute Boot ist dem Original näher, es kann geölt oder (und) lackiert werden. Das Holz bleibt überall sichtbar. Sperrholz wird man meistens deckend streichen, aber auch das entspricht häufig dem Vorbild. So waren amerikanische Sharpies meistens komplett mit weißer Farbe versehen, um sie dauerhaft zu schützen.